Superloser (16)

„Wir hatten viele Dungs hier und die waren sich auch alle ziemlich ähnlich.“ Sein verklärter Blick wanderte über das Areal vor seiner Dienstwohnung. Und man konnte dabei vermuten, er sähe wieder die kleinen, dünnen Kinder auf dem Hof spielen und ihre Mütter im Hintergrund bunte Gewänder falten.
Seine Aufmerksamkeit kehrte wieder zu den Teerstegens zurück.
„Ja, sehr viele Dungs. Wie heißt ihr Freund denn noch?“
„Äh“, sagte Gottfried und dann eher fragend als antwortend: „Pak?“
„Dung Pak. Ha! Das ist so als wollten sie nach dreißig Jahren einen Martin Schmidt oder einen … egal. Ne, also, tut mir wirklich leid.“
„Wie waren denn die Lebensverhältnisse für die Asylanten damals hier?“, hakte Judith nach.
„Jeder hat das gehabt, was er gebraucht hat: ein Bett, ein Dach, Essen. Denen ging es hier jedenfalls besser als in Vietnam. Da können sie sich drauf verlassen.“
„Waren die Zimmer nicht etwas eng für so viele Leute?“
„Die wollten das gar nicht anders“, kam eine barsche Antwort und Misstrauen machte sich im Gesicht des Hausmeisters breit. „Wieso?“
„Ach, Dung, hat nur mal was davon erwähnt. In einem Brief. Damals“, meinte Gottfried:
„Ja, damals!“, seufzte sein Gegenüber. Damit schloss er seine Tür wieder und ließ Mutter und Sohn im Grau des Vormittags stehen.

„Ich hätte ihn ja gern noch gefragt, was heute so schlimm ist im Gegensatz zu früher“, teilte Gottfried Judith auf der Rückfahrt in die Innenstadt mit.
„Das wirst du schon noch rechtzeitig verstehen“, bekam er von ihr zur Antwort.

Er ließ sich direkt zum Drei Engel fahren. Den Vorschlag seiner Mutter, dort noch eine gemeinsame Kanne Kaffee zu trinken, lehnte er dankend ab. Trotzdem drückte sie ihm beim Aussteigen den obligatorischen 50 Euro Schein in die Hand.
Er wollte nichts verzehren, sich nicht aufhalten, sondern nur Jette wieder sehen und sie zu irgendetwas einladen. Abends, nach ihrer Schicht. Kims Tanke kam dafür wohl eher nicht in Frage und so musste er überlegen, bevor er das Cafe betrat. Er wusste nichts über die Interessen seiner Flamme. Das machte seine Entscheidungsfindung schwierig.
Einen gewissen Sinn für Humor vermutete er bei Jette. Seine Überlegungen gingen also in Richtung Kino oder klassisches Kabarett. Letzteres würde zwar einen gewissen Glanz auf sein Angebot werfen, ihn als Teil des gehobenen Kulturbetriebs erscheinen lassen, aber der Gedanke an das vermutlich anwesende Publikum, diese Mischung aus Studien- und Betriebsräten ließ ihn doch eher in Richtung Kino weiter planen. Er hatte allerdings keine Ahnung, was gerade lief.

„Hast Du vielleicht Lust, dir heute Abend einen Film mit mir anzuschauen?“, fragte er und war dabei bemüht seiner Stimme einen vorsichtigen, vertrauenerweckenden Klang zu verleihen.
„Ne, tut mir leid, geht nicht“, gab sie darauf zurück. „Ich bekomme in Kinosälen immer Platzangst. Die Dunkelheit, die vielen Menschen, das Geflimmer. Kann ich nicht ab. Außerdem drehe ich meine Filme eh lieber selbst.“
„Du machst Filme?“
„Nein, so war das nicht gemeint.“
„Oh! Verstehe.“
„Wollen wir trotzdem was zusammen unternehmen?“
Gottfrieds Herz füllte sich wieder mit Hoffnung. Er schaute Jette dankbar an. Ein wenig treudoof vielleicht, wie ein Hund in der Wärme eines Kaminfeuers, dem Herrchen über den Kopf streichelt.
„Na, klar! Hast du eine Idee?“
„Ja, habe ich. Hol mich doch einfach um Fünf hier ab. O.K.?“

Ein Gedanke zu “Superloser (16)

  1. Martin Schmidt, okay, da mag es Dutzende, Tausende geben; aber „Martin C. Schmidt“? Auf die Nuancen kommt es an!

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